Weedcraft Inc im Test (PC): Vom Studenten zum Drogenbaron

von Marco Mainz

Es gibt viele Szenarien, in denen wir zum Tycoon aufsteigen können. Von quietschbunten Freizeitparks, über blubbernden Aquarien bis hin zu kulinarischen Restaurants. Nur an das Cannabis-Business hat sich bisher noch niemand rangetraut, bis jetzt. Das polnische Studio Vile Monarch hat mit seinem neuen Titel “Weedcraft Inc” eine Wirtschaftssimulation mit Fokus auf den Drogensektor auf die Beine gestellt.

Marktsegmentierung, Zielgruppendefinition und Preisstrategien sind nicht nur Themen großer Unternehmen an der Börse. Auch auf dem kleinen, zwielichtigen Drogenmarkt herrschen betriebswirtschaftliche Normen. In Weedcraft Inc schlüpft ihr als Spieler in die Rolle des Ex-BWL-Studenten John Woodsen, der durch den Tod seines Vaters die Studiengebühren nicht weiter zahlen konnte. Mit seinem szenekundigen Bruder Clyde baut ihr nun im Familienhaus der Heimatstadt Flint die ersten Marihuana-Pflanzen an und startet eure Drogenkarriere.

Der Rausch startet im Keller

Weedcraft startet ruhig mit leicht verständlichem Tutorial und bringt euch so nach und nach die wichtigsten Steuerungselemente bei – allen voran das Hegen und Pflegen eurer wertvollen Cannabis-Pflanzen. Ihr müsst eure grünen Wohltäter stets wässern und beschneiden, sodass sie gut gedeihen. Das funktioniert durch das Klicken und Halten der vorgesehenen Buttons, bis die jeweilige Aktion abgeschlossen ist. Ähnlich verhält es sich beim Ernten und Verkauf auf der Straße. Damit ist die Spielmechanik recht monton und lässt den Titel in Hochphasen zum simplen Zeit-Management-Spiel verkommen. Besonders fortschreitenden Spielverlauf, kann dies zur nervigen Klickparty werden. Lasst euch also helfen und stellt Mitarbeiter ein, die euch die Pflanzen anbauen und das Gras verticken. Das mag bei den ungeübten Kräften länger dauern, spart euch auf Dauer aber die Nerven.

Zu Beginn eurer Karriere startet ihr mit billigem Reggie, eine Sorte die ihr wegen mangelnder Akzeptanz vorerst nur an Obdachlose verkaufen könnt. Da diese bekanntlich auch nicht sehr vermögend sind, kommt ihr wirtschaftlich zunächst nur schleppend voran. Erst später erhaltet ihr durch Zukäufe oder Fortschreiten des Szenarios neue Sorten, die wiederum neue Zielgruppen ansprechen. Je nachdem wo ihr eure Dealerplätze einrichtet, verkehren unterschiedliche Gesellschaftsgruppen.

Am Marktplatz sind beispielsweise die gutverdienenden Sportler unterwegs. Um die als Kunden zu gewinnen, müsst ihr deren Lieblingssorte “Super Lemon Haze” verkaufen. So hat jede Zielgruppe ihre Lieblingssorte. Sie ins Sortiment aufzunehmen ist der Schlüssel zum Erfolg. Im Übrigen haben die Entwickler sehr gut recherchiert. Im Spiel erhältliche Cannabis-Sorten mit teils merkwürdigen Namen wie “Northern Lights” oder “Space Queen” gibt es wirklich. Durch detaillierte Zusatzinfos wie dem Geschmack und Wirkungsstufen wirkt jede Pflanze einmalig. Das wirkt sich im Gesamten positiv auf das Spielgefühl aus.

Die Sache mit der Konkurrenz

Wie teuer ihr euer Produkt verkaufen könnt, hängt zum einen von der Cannabis-Qualität, zum anderen von der lokalen Konkurrenz ab. So gut wie an jedem Standort treibt sich ein Mitbewerber rum und verkauft sein Zeug. Vergrätzt ihn, indem ihr gutes Hanf zu Dumpingpreisen veräußert. Früher oder später gibt er die Ecke auf und ihr könnt die Preise wieder anziehen. Doch nicht zu hoch, denn jede Zielgruppe hat eine gewisse Preisobergrenze. Ihr wollt ja nicht auf eurer Ernte sitzen bleiben.

Die Konkurrenz bleibt kurz oder lang nicht eure einzige Sorge. Die lokale Polizeibehörde hat euch bereits im Blick und patrouilliert penibel die Straßen. Baut ihr an Standorten Cannabis an oder vertickt es, dann erhöht sich dort die Wachsamkeit. Erreicht sie das Maximum spazieren die Beamten bei euch rein und beschlagnahmen eure gesamte Ernte. Das tut wirtschaftlich enorm weh und wirft euch im Fortschritt zurück. Denn bleiben die Einnahmen aus, rückt ihr schnell ins Dispo und ihr müsst Standorte schließen oder euch im Zweifel sogar Geld beim Kredithai leihen.

Freundet euch also lieber mit den Gesetzeshütern an – allen voran mit den Streifenpolizisten. In brenzligen Situationen leisten sie dann sogar den einen oder anderen Freundschaftsdienst, drücken ein Auge zu oder buchten eure Mitarbeiter nicht ein.

Nette Inszenierung, wenig Tiefe

Nicht nur Polizisten können zu Freunden werden. Ihr könnt euch auch mit euren Mitarbeitern und den konkurrierenden Drogenbossen gut stellen. Dafür müsst ihr nur regelmäßig mit ihnen quatschen. Ganz nebenbei erfahrt ihr so von trivialen, dafür teils sehr witzigen, Hintergrundinfos der Charaktere. Die Dialoge sind allesamt recht oberflächlich und tragen nur wenig bis gar nicht zur Narrative bei. Obwohl die Szenarien einen soliden Story-Hintergrund haben, machen die Entwickler nur wenig aus dem Potenzial. Der Fokus bleibt auf den stereotypen, wenngleich auch charmanten, Charakteren.

Neben den Figuren sind auch die Städte und insbesondere die Cannabis-Pflanzen liebevoll designed. In dem hervorragendem Comicstil wirkt jede Sorte einzigartig und ist demnach auch leicht unterscheidbar während des Spielens. Soundtechnisch wird der Titel von melodischen Hip-Hop Beats begleitet und rundet die raue Vorstadtstimmung ab.

Fazit

Weedcraft Inc ist eine gut funktionierende Wirtschaftssimulation innerhalb des Cannabis-Milieus. Das neueste Werk von Vile Monarch und Publisher Devolver Digital ist kaufmännisch sehr akkurat umgesetzt und beleuchtet betriebswirtschaftliche Besonderheiten. Mit seinem hübschen Comicstil und überzeichneten Charakteren bringt der Titel eine gesunde Portion Humor mit und nimmt sich selbst nicht allzu ernst.

Wer Spaß an detailreicher Preisgestaltung hat und sich auf das erfrischende Setting im Cannabis-Milieu einlassen kann, für den ist Weedcraft Inc genau richtig.

Das könnte dir auch gefallen