Die Darstellung von queeren Themen in Games ist immer noch eine Seltenheit. Das Langenfelder Studio Rho Labyrinth bricht bewusst mit dieser Norm und fokussiert sich auf Geschichten aus der LGBTQ-Community. Dessen Debütwerk Mars Vice wird von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert.
Es war spät in der Nacht, als Ruairí Rodinson, ganz erschöpft, sein neugeborenes Kind in den Armen hielt und kein Auge zu bekam. Der heute 33-Jährige tauschte Nachrichten mit einem Kollegen aus. Gemeinsam machten sie sich über Science-Fiction-Games alter Tage und ihre teilweise skurrilen Handlungen lustig. Sie erzählten sich von riesigen anthropomorphen Löwen in Stahlrüstungen, bewaffnet mit Laserwaffen – ein Bild von Videospiel-Charakteren, wie sie zu dieser Zeit üblich waren.
Rodinson wollte den Bogen noch zusätzlich überspannen und schlug nicht ganz ernst gemeint vor, diesem Löwen eine Sonnenbrille aufzusetzen. Die absurde Vorstellung gefiel dem gelernten Gamedesigner überraschend gut. Die Idee von »Dax«, dem Protagonisten von »Mars Vice«, war geboren. Diese Nacht ist bald sechs Jahre her.
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in »Film und Medien NRW – Das Magazin«, Ausgabe 1/2023
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Heute erinnert Dax nur noch vage an Rodinsons erste Vorstellung: Rüstung und Waffen wichen moderner Chino und stylischem Blouson; die Sonnenbrille hängt lässig am v-förmigen Ausschnitt. Der markante Löwenkörper ist geblieben. Jedoch nicht ohne Grund.
Mars Vice soll queeren Menschen eine Stimme geben
Rodinson, mittlerweile Gründer und Geschäftsführer von Studio Rho Labyrinth, erklärt: »Bei der Entwicklung von Mars Vice habe ich meine eigenen Erfahrungen, Werte und sogar meine Sexualität einfließen lassen. Ich bin als Mann geboren, identifiziere mich jedoch als genderfluid, fühle mich also mal mehr oder weniger männlich oder weiblich«. Diese autobiografische Flexibilität der Identität drückt sich in Mars Vice innerhalb des Gamedesigns aus.
»Body Swapping« tauft der gebürtige Nordire das Prinzip der Körpertauschens, das, wenn es nach seinem Science-Fiction-Werk geht, im Jahr 2184 auf dem Mars Normalität sein wird. »Das erzählerische 3D-Adventure spielt in Pavonis, einer Stadt auf dem roten Planeten, deren Bewohner einst unterirdisch lebten. Dank künstlicher anthropomorpher Körperhüllen können sie mittlerweile jedoch auf der Marsoberfläche überleben. Das Wechseln von Körpern gehört dort zum Alltag.«, erklärt Rodinson, der in seinem Unternehmen Queerness ganzheitlich begreift.
Nicht nur die Games, die gesamte Kultur von Rho Labyrinths versteht sich als LGBTQ-freundlich. Folgerichtig ist das Studio attraktiv für Personen aus genau jener Community. Sogar ein Großteil des 18-köpfigen Teams ist queer. Das schafft ein starkes Selbstbewusstsein, das der Familienvater gerne prominent nach außen trägt: »Wir wollen diese Community repräsentieren und ihr eine Stimme geben.
Als ich Mars Vice konzipierte, habe ich nach anderen Games mit Queerness-Darstellungen recherchiert – ich habe kein einziges gefunden. Das wollte ich ändern«, erzählt Rodinson.Ganz besonders spannend: Das Projekt ist kein Videospiel im eigentlichen Sinne; vielmehr handelt es sich um eine Plattform, auf der Spielerinnen und Spieler in Zukunft ihre ganz eigenen Elemente wie Spielkarten hochladen können. Damit wäre prinzipiell jedes Pen-and-Paper-Rollenspiel in Dungeon Full Dive spielbar.
Exploration und Dialoge zum Geschichtenerzählen
Doch Mars Vice soll nicht nur Queerness in den Vordergrund stellen. Es geht um große gesellschaftliche Probleme: Machtgier, Korruption und nicht zuletzt Polizeigewalt. Letztere hat Rodinson in seiner Heimat Nordirland am eigenen Leib erfahren, ehe er 2008 mit Anfang 20 nach Deutschland migrierte. Damit diese schweren Themen bestmöglich transportiert werden, wird Mars Vice ein narratives Adventure sein.
Spielerinnen und Spieler sollen die 3D-Welt auf eigene Faust erkunden und mit den diversen Charakteren interagieren können. Im finalen Spiel werden dafür mehr als 100.000 Wörter für die Gespräche eingesetzt.
Aktuell, so Rodinson, sind rund 7000 Wörter Dialog geschrieben, was einer Spielzeit von etwa einer halben Stunde entspricht. Die Pre-Production ist damit fertig.
Aktuell beschäftigt sich das Team intensiv mit der Story und arbeitet die Motivationen der Bösewichte aus. Damit sei das Team aktuell im Zeitplan, erklärt der 33-jährige Unternehmer: »Mars Vice wird frühestens Ende 2024 erscheinen. Besser noch wäre eine Veröffentlichung Anfang 2025, damit wir die Konkurrenz zum Weihnachtsgeschäft vermeiden können.«
Förderung der Film- & Medienstiftung NRW gibt Sicherheit
Die Planungssicherheit für die noch zweijährige Entwicklung verdankt das Studio unter anderem der Förderung der Film und Medienstiftung NRW, wenngleich der Prozess nicht immer einfach war. Rodinson erinnert sich: »Die Finanzierung hat mich viel Zeit gekostet. Durch den Crash der Kryptowährungen Anfang 2022 waren viele Investoren abgesprungen, wodurch uns das nötige Eigenkapital für den Antrag zur Produktionsförderung fehlte.
Glücklicherweise hat die Film und Medienstiftung NRW an uns geglaubt und uns mehr Zeit gewährt, als eigentlich vereinbart. Im wirklich letzten Moment, etwa einen Monat vor Ende der verlängerten Frist, fanden wir einen Privatinvestor, der uns die fehlenden 150.000 Euro bereitstellte«. Der Antrag ging durch. Mit 350.000 Euro Gesamt-Fördervolumen gehört Mars Vice zu den zehn größten Projekten aus NRW seit Gründung der Gamesförderung.
Mars Vice vom Langenfelder Studio Rho Labyrinths befindet sich aktuell noch in der Entwicklung und soll 2024 für den PC erscheinen.