Get Even im Test (PS4): Eine verrückte Reise durch Erinnerungen

von Marco Mainz

In Get Even begebt ihr euch als Spieler auf eine surreale Achterbahnfahrt. Was zunächst wie ein klassischer Shooter wirkt, entpuppt sich sehr schnell als etwas Einzigartiges. Wie ein Mix aus dem Horror Game Outlast und The Stanley Parable. Ob das gut geht? Absolut! Hier unser Test zum neusten Indie Game von Bandai Namco.

Der polnische Entwickler Farm 51 ist wahrlich nicht jedem ein Begriff. Dem einen oder anderen ist vielleicht noch die Shooter-Reihe “NecroVision” bekannt, darüber hinaus kam vom Studio aber kaum etwas Nennenswertes. Das machte es auch für das Projekt Get Even problematisch.

Ursprünglich sollte der Titel bereits Ende 2015 erscheinen, notfalls über Selfpublishing. Kein Wunder, formulierten die Osteuropäer eine abenteuerliche Prämisse, der sich keiner annehmen wollte. Letztlich fanden die Polen mit Bandai Namco aber doch noch einen Publisher, der in dem Genremix Potenzial sah.

Traum oder Wirklichkeit?

Als Spieler schlüpft ihr in die Rolle des ehemaligen Söldners Cole Black und kommt in einem verlassenen Gebäude zu euch. Ohne Erinnerung, dafür aber ausgestattet mit Smartphone und Schusswaffe, macht ihr euch auf dem Weg. Der Prolog führt euch zu einem benachbarten Bunker, wo ihr ein gefesseltes Mädchen mit umgeschnallter Bombe vorfindet.

Ihr wollt sie entschärfen, doch zu spät. Die Zeit reicht nicht aus. Die Bombe geht hoch. Um euch wird es schwarz. Was ist passiert? Wer war das Mädchen? Warum musste Black sie retten? Die Antworten zu finden, ist Ziel des Spiels.

Wenig später wird klar: Das ganze Szenario war nur eine Replizierung von Blacks Erinnerungen. Möglich gemacht durch ein Gerät am Kopf, das an eine VR-Brille erinnert. Mit der sogenannten Pandora lassen sich Erinnerungen für den Träger nochmal durchleben. Verantwortlich dafür ist eine Person namens Red, die mit euch über euer Smartphone oder anderen Bildschirmen im Spiel kommuniziert.

Die Motive von Red sind anfangs unklar. Wichtig ist ihr nur, dass ihr die Behandlung fortsetzt. So reist ihr von nun an durch Blacks Unterbewusstsein und sucht nach Antworten. Dabei begebt ihr euch in verschiedene Zeitebenen und könnt zunehmend immer weniger beurteilen, ob das gerade Erlebte echt ist oder ihr euch in einer Simulation befindet. Zur Story möchte ich gar nicht mehr verraten. Get Even ist definitiv ein Titel, den jeder Spieler auf eigene Faust erkunden sollte.

Universalmittel Smartphone

Jeder Detektiv benötigt Beweise. Das bleibt auch euch nicht erspart. So müsst ihr als Spieler immer wieder euer Smartphone zücken. Ob zum Analysieren von Beweismitteln, zum Verfolgen von Fußspuren mittels UV-Licht oder zum Finden einer Stromquelle mit der Wärmebildkamera. Klar, alles schon mal irgendwo gesehen, aber dafür sehr abwechslungsreich und solide umgesetzt.

Auch, weil durch die diversen Handyfunktionen Rätsel gelöst werden müssen. Und tatsächlich sind einige davon recht knifflig. Da poppte beim Spielen gerne mal das eine oder andere imaginäres Fragezeichen über unseren Köpfen auf. Ihr merkt schon, das Smartphone ist das essenzielle Tool im Spiel und lässt euch sogar gerne mal eure Schusswaffen vergessen. Zu selten kommen sie zum Einsatz.

Darin steckt Lob und Kritik zugleich. Get Even ist nämlich am stärksten, wenn die Waffen nicht zum Einsatz kommen. Da hilft auch die nette, um die Ecke schießende “Corner Gun”, nicht, die uns als innovatives Feature zur Verfügung steht. Darüber hinaus sind die aufkeimenden Gegner nicht mehr als Kanonenfutter und die Gefahr vor einem leeren Magazin besteht beim gezielten Schießen quasi überhaupt nicht.

Da brauchen wir uns selbst in einer Irrenanstalt nicht fürchten, deren Insassen messer-metzelnd durch die Gänge laufen. Dieser Schutz raubt uns Spielern leider die Angst vor dem Unbekannten. Wie gruselig es wäre, wenn wir den Insassen schutzlos ausgeliefert wären? Wir werden es leider nie erfahren.

Super Grafik und Sound durch 3D-Technologien

Und trotzdem ist das Game stimmungsvoll hoch zehn. Allein die Grafik punktet mit teilweise fotorealistischen Kulissen. Möglich gemacht durch 3D-Scans von echten Locations. Vor allem die Spielabschnitte in den verlassenen Gemäuern sehen dank der neuen Technik super aus.

Unterstützend wirken auch die Lichteffekte, die total klasse eingesetzt werden und somit einzelne Szenerien optisch nochmal abrunden. Zugegeben, nicht jede Area bewegt sich optisch auf dem hohen Niveau und auch die Gesichter der Charaktere bzw. NPCs lassen zu wünschen übrig. Das ist aber auch nicht weiter schlimm.

Das geheime Highlight ist der Sound. Richtig intensiv wird das Spiel nämlich erst durch die Auro-3D Technology. Damit werden Geräusche und Stimmen punktuell aus verschiedenen Richtungen gestreut. Das einzige was ihr dafür braucht ist ein 3D-fähiges Headset.

Komponist Olivier Derivière, der bereits Assassin’s Creed IV und weitere namhafte Titel musikalisch unterstrich, hat die Soundtracks mit seinem Orchester sogar in 3D aufgenommen. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Auch die Synchro übt sich in Perfektion. Ausnahmslos jeder der englischen Sprecherinnen und Sprecher schafft es die Gefühle ihrer Figur zu transportieren. In Kombination mit den musikalischen Untermalungen ergibt sich letztlich ein schönes Soundbild. Das lässt uns auch über eine mangelnde deutsche Sprachausgabe hinwegsehen.

Fazit

Was will Get Even eigentlich sein? Ein Shooter? Ein Puzzle-Game? Oder vielleicht doch ein Horror-Adventure? Schwierig zu bestimmen. Aber ist das eigentlich wichtig? Es verbindet von allem ein wenig und schafft damit etwas Neues. Etwas, dass mal nicht im 08/15-Stil durchgetaktet ist und dessen Auflösung nicht bereits in der ersten Spielminute durchschaut werden kann.

Das unkonventionelle Spielprinzip und der Sprung zwischen den Genres macht Spaß und darauf kommt es an. Mit einer Spielzeit von maximal zehn Stunden, haben wir ein knackiges Spiel, das sich rein spielerisch auf Neuland begibt. Und auch wenn die Puzzle-Abschnitte besser funktionieren als die Shooter-Passagen: Es ist letztlich die Komposition aus allem, die uns hier eine klare Empfehlung für den verwöhnten Gamer aussprechen lässt. Wer bei Get Even zuschlägt, ist einem Geheimtipp auf der Spur.

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