The Inpatient im Test (PS4): Wo ist der rote Faden?

von Marco Mainz

Nach dem erfolgreichen Horror-Titel „Until Dawn“ war es nur eine Frage der Zeit, bis sich eine Fortsetzung am Horizont abzeichnet. Jetzt, drei Jahre später, nimmt uns Entwickler Supermassive Games mit in das Jahr 1952 und möchte uns im Prequel namens „The Inpatient“ das Fürchten lehren. Ob der PS-VR Exklusivtitel das schafft? Hier unser Test!

Wir erwachen ganz benebelt in einem dunklen Raum. Am Stuhl gefesselt, sitzen wir einem älteren Mann gegenüber. Er sagt, dass er uns helfen möchte und stellt zunächst einige Fragen. Doch wir wissen weder wer er ist, noch wo wir uns befinden. Wir scheinen unser Gedächtnis verloren zu haben.

Wie wir erfahren, ist der Name des Mannes Jefferson Bragg. Er ist Leiter des Blackwood Sanatoriums und möchte uns nicht entlassen, solange wir nicht wieder gesund sind. Na prima, dann bleibt uns also vorerst nichts anderes übrig, als uns ihm und seinem Sanatorium anzuvertrauen.

Speak to me

Der Dialog dient als kleines Tutorial für das neue Feature der Sprachsteuerung. Statt einen der vorgegebenen Antwortsätze per X-Taste auszuwählen, können wir diesen einfach sprechen. Dank des Mikrofons in der VR-Brille funktioniert das erstaunlich gut.

Bereits in Until Dawn hat der Entwickler mit der Playstation Kamera ein ungewohntes Tool in das Gameplay integriert; damals noch mit dem Zweck den Spieler während der Jumpscares zu filmen. An Innovationen mangelt es Supermassive Games also nicht. Wieder mit von der Partie ist der Butterfly Effect, der je nach getroffener Entscheidungen ein einzigartiges Spielerlebnis bieten soll.

Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Handlung haben, erkennen wir beim Wählen an den aufkeimenden Schmetterlingsschwärmen. Die Fülle an alternativen Handlungssträngen von Until Dawn werden dabei aber nicht erreicht.

Kammerspiel trifft Haunted Asylum

Nach der Sitzung werden wir in unser Zimmer gebracht. Oder sollte man besser Zelle sagen? Die Tür bleibt während des Aufenthalts nämlich verschlossen. Zunächst noch allein, gesellt sich recht schnell ein Zimmergenosse zu uns. Da wir uns vor dem Spielstart für das männliche Geschlecht entschieden haben, macht es sich Gordon auf dem anderen gemütlich.

Als Frau würden wir Anna als Mitbewohnerin bekommen. Aber ob nun männlich oder weiblich, die Handlung bleibt von der Wahl weitestgehend unberührt. Lediglich die Dialoge passen sich dem Geschlecht an. Gordons Gesellschaft tut gut, denn mit Interaktion hat das Spiel sonst so seine Probleme. Die Anstalt lässt sich lediglich im Gehtempo eines Walking Simulators erkunden. Die kahle Umgebung lädt dafür aber nur wenig zum Entdecken ein.

Im Spiel verstreut finden wir lediglich ein paar wenige Gegenstände, die Flashbacks zu unseren Erinnerungen auslösen. Tagsüber können wir wenigstens mit unserem Bettnachbarn quatschen. Dieser entpuppt sich ebenfalls als Amnesie-Patient, glaubt aber nicht so recht an eine Krankheit. Vielmehr vermutet er eine Verschwörung von Leiter Bragg. Mit der Zeit sehen wir ihn mehr und mehr in den Wahnsinn abdriften. Und wäre das nicht schon genug, kämpfen wir nachts selber mit begehbaren Alpträumen – gelungenen Jumpscares inklusive.

Until Dawn lässt grüßen

Genau dann, wenn das Kammerspiel mit Gordon und uns in den Hauptrollen einen dramatischen Höhepunkt erreicht, zieht The Inpatient die Reißleine und geht einen komplett anderen Weg. Schade, hier wäre sicher noch viel Potenzial gewesen. Die Szenerie verschiebt sich stattdessen an die restlichen Orte der Anstalt und entwickelt sich zu einer waschechten Verfolgungsjagd.

Referenzen zu Until Dawn wie die verschwundenen Minenarbeiter, oder gefährliche Kreaturen werden wieder aufgegriffen und zu gewissen Teilen sogar erklärt. Doch der Grusel verschwindet, das Pacing wird immer höher und ehe man sich versieht, sind auch schon die Credits erreicht. Kurz denkt man sich: „Das war’s doch nicht oder?!“

Aber doch, das war’s! Damit pendelt sich The Inpatient bei einer frechen Gesamtspielzeit zwischen drei und vier Stunden ein. Das einzige, das nicht zu kurz kommt, sind die Grafik-Puristen. Trotz VR knüpft The Inpatient visuell an den sehr ansehnlichen Vorgänger an. Die Charaktere sind einmal mehr sehr gut modelliert und lassen so manch anderen VR-Titel hinter sich.

Allein das Menü in Altherrenhaus-Optik sieht fabelhaft aus. Etwas Effekthascherei gibt es nur beim Sound, der die wenigen, aber intensiven Jumpscares mit hoher Lautstärke überdröhnt. Eine spannende Gruselstimmung aufzubauen fällt The Inpatient indes schon schwerer.

Fazit

Weiß The Inpatient eigentlich was es sein will? Vermutlich nicht, sonst würde sich durch den Titel ein logischer, roter Faden ziehen. Stattdessen spielt sich das Until-Dawn-Prequel wie ein Horror-Gemischtwarenladen. Ein bisschen Kammerspiel hier, etwas Geisterhaus da und obendrauf eine Portion Thriller.

Wo das Skript unserer Meinung nach ein wenig versagt, macht es auf der anderen Seite ein altbekanntes Feature wieder wett. Die Rede ist von der Sprachsteuerung. Bisher nur selten sinnvoll in Games genutzt, wurde das Element für den First-Person VR-Titel zur rechten Zeit aus dem Keller geholt. Gepaart mit den Move-Controllern und der VR-Brille wirkt die Immersion Wunder!

Denn streng genommen ist The Inpatient spielerisch nicht mehr als ein schlauchiger Walking Simulator, den ohne VR wohl kaum jemand auf dem Zettel gehabt hätte. Unter dem Strich fühlt es sich so an, als wenn die Entwickler bei dem Titel unter ihren Möglichkeiten geblieben wären. Sowohl in Sachen Handlung als bei den Interaktionsmöglichkeiten gibt es noch massig Luft nach oben. Darüber hinaus ist die Spieldauer für einen stolzen Preis von 40 Euro definitiv zu kurz.

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