Retro Machina im Test (PC): Maschinen brauchen keine Abwechslung

von Marco Mainz
Retro Machina Keyart

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Menschen einfach keine Maschinen sind – Retro Machina hätte ihn geliefert. Denn während Maschinen ohne Murren immer wieder dieselben Aufgaben verrichten, braucht unsereins hin und wieder neue Reize. Und an genau diesen mangelt es dem Puzzle-Action-Adventure von Orbit Studio.

Los geht das Abenteuer damit, dass ein kleiner Roboter sich von einem herbeiflatternden Schmetterling ablenken lässt und dadurch seinen Pflichten am Fabrik-Fließband nicht nachkommt.

 
Ein Systemschaden wird diagnostiziert, sein Gedächtnis soll gelöscht werden. Doch er flieht, rutscht einen Schacht hinunter und wird aus der Stadt und auf eine Müllhalde katapultiert. Um seine bei der unsanften Landung beschädigten Systeme wiederherzustellen, macht sich der Roboter notgedrungen auf die Suche nach Ersatzteilen.

Mit Hacken durch die Sci-Fi-Welt

Nach einem kleinen Tutorial-Gebiet gelangt ihr in die erste von drei großen Sci-Fi-Welten. Deren Maschinen sehen in euch nur einen Feind und Eindringling. Alle dieser Maschinen lassen sich per Knopfdruck hacken und steuern, was im Kampf optional ist, für die Puzzles von Retro Machina aber essentiell.

Und während ihr euren kleinen Roboter mit dem linken Analog-Stick steuert (Controller sehr empfohlen), bewegt ihr mit dem rechten die Maschinen, die jetzt tun, was ihr sie tun lassen wollt. Zum Einsatz kommt das vor allem für Schalterrätsel.

Meist geht es darum, einer Maschine den Weg zu einem Schalter freizubahnen, damit sie ebendiesen drückt und dann wiederum euch den Weg freimachen kann. Eure Synapsen sind dabei eng aneinander gekoppelt: Erleidet die gehackte Einheit Schaden, verliert auch der namenlose kleine Roboter Lebensenergie. Ultraknifflig sind die Rätsel nie, überwiegend aber durchaus unterhaltsam.

Retro Machina Welt

In der isometrischen Draufsicht erschließt sich der kleine Roboter Stück für Stück verschachtelte Welten. | Bildquelle: eigener Screenshot

Abwechslungseich ist anders

Auch die Kämpfe sind im Grunde launig – jedenfalls die ersten fünf, sechs Stunden lang. Um Retro Machina durchzuspielen, braucht ihr aber locker das Doppelte und leider kämpft ihr das ganze Spiel über immer wieder gegen dieselben Gegner. Zwei, drei neue Gattungen kommen in den späteren Welten jeweils dazu, aber den anderen begegnet ihr wieder und wieder.

Und nach dem siebenundneunzigsten Kampf gegen fliegende Sägeblatt-Untertassen wollte ich für meinen Teil keine fliegenden Sägeblatt-Untertassen mehr sehen. Aber Retro Machina hat sie mir trotzdem immer weiter vorgesetzt. Genauso wie die anderen, sich viel zu häufig wiederholenden Gegner.

An manchen könnt ihr einfach vorbeilaufen, doch mit schöner oder eher unschöner Regelmäßigkeit schmeißt euch Retro Machina in Battle-Arenen. Diese entlassen euch erst dann wieder in die freie Welt, wenn ihr der Last Robot Standing seid. Was durchaus okay wäre, wenn man nicht immer auf dieselben Feinde eindreschen müsste…

Retro Machina Rätsel

Die meisten der überwiegend interessanten Rätsel lassen sich nur lösen, indem man andere Maschinen hackt und kontrolliert. | Bildquelle: eigener Screenshot

Dem Action-Adventure geht schnell die Puste aus

Von ihrem Aufbau wissen die Welten durchaus zu gefallen. Die Gebiete sind groß und angenehm verschachtelt. Ohne Backtracking geht es nicht ab, aber es gibt Teleporter und die Ladezeiten zwischen den Screens sind kurz.

Die Science-Fiction-Optik ist für meinen Geschmack etwas zu goldgetränkt und putzig, aber dafür kann Retro Machina nichts. Dafür, dass seine Welten immer ein wenig nach Level-Editor ausschauen schon eher: So wie die Gegner wiederholen sich auch die grafischen Assets wieder und wieder.

Überhaupt gelingt es dem in Brasilien entwickelten Titel nach den ersten Stunden nicht mehr, den Spieler zu überraschen oder gar ins Staunen zu bringen. In puncto Gameplay wird schon in der zweiten großen Welt nicht mehr viel Neues geboten.

Retro Machina Gegner

Mit schöner Regelmäßigkeit schmeißt euch Retro Machina in Battle-Arenen, deren Gegner leider immer wieder die gleichen sind. | Bildquelle: eigener Screenshot

Repetitiv wie eine Maschine

Ja, es kommt Wasser ins Spiel, aber Flöße derart übers Wasser zu verschieben, dass sich Laufwege für Maschinen ergeben, war jetzt nicht gerade die Herausforderung, die ich gesucht habe und artete mitunter schon in Arbeit aus.

Und als ich dann im dritten und abschließenden Gebiet von den gleichen Gegnern begrüßt wurde, die mir seit Spielminute fünf ununterbrochen vor die Füße liefen, war meine Motivation ähnlich niedrig wie der Anteil organischer Lebensformen in Retro Machina.

Unterwegs kann der geneigte Spieler tausende Kisten zerdeppern, die sich in nahezu jedem Screen finden. Diese enthalten jedoch lediglich Lebensenergie und Material zum Aufrüsten eures Roboters. Allerdings ist viel mehr Material da, als ihr zum Skillen braucht und damit sind die Kisten ab einem gewissen Punkt nur noch ein weiterer Versuch, die Spielzeit zu strecken. Weniger wäre hier mehr gewesen – und das gilt nicht nur für die Kisten.

Retro Machina Level

Die Gebiete sind optisch durchaus nett, sehen aber oft nach Level-Editor aus. Zahlreichen Assets begegnet man immer wieder. | Bildquelle: eigener Screenshot

Selbst die Bossbattles sind kein Highlight. Solide, aber nichts, woran ich mich in ein paar Wochen noch erinnern werde. Auch die Story vermochte mich nicht bei der Stange zu halten. Über Dateien und Zeitdokumente, die man am Wegesrand findet, erfährt man mehr über die Hintergrundgeschichte und warum die Welt so ist, wie sie ist.

Nur leider ist die Story in keiner Weise originell und so habe ich die Textschnipsel irgendwann nur noch überflogen. Was ich gelesen habe, war fehlerfrei ins Deutsche übersetzt – nur leider eben ziemlich langweilig. Der Elektro-Synth-Soundtrack reißt es ebenfalls nicht raus, nervt aber auch nicht und fügt sich damit nahtlos in ein solides und in fast allen Belangen mittelmäßiges Spiel ein.

Fazit

Retro Machinas Mix aus Erkundung, Knobeln und Kämpfen ist durchaus stimmig, aber große Welten brauchen auch ein Mindestmaß an Abwechslung und daran hapert es hier gewaltig. Mit weniger Recycling und etwas mehr Ideen hätte das durchaus was werden können, der ziemlich generischen Story zum Trotz. So aber ist Retro Machina nicht mehr als ein solides Spiel, das zu lang, zu repetitiv und zu arm an Höhepunkten ist.

Für unerfahrene Spieler mit Sci-Fi-Affinität ist Retro Machina vielleicht einen Blick wert. Alle anderen sollten sich auf ein vergängliches und mittelmäßiges Action-Adventure einstellen.

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