Mutropolis im Test (PC): Verrückte Reise zurück zur Erde

von Marco Mainz

Mutropolis ist ein Sci-Fi-Point & Click des spanischen Entwicklers Pirita Studio, das in einer sehr fernen Zukunft spielt. So fern, dass völlig vergessen ist, wer Dwayne „The Rock“ Johnson war und ihn für eine Sagenfigur hält. Für wen der Titel geeignet ist, verraten wir im Test.

Zentrales Motiv in Mutropolis ist eine Gruppe Archäologen, deren Beruf es ist, die Hinterlassenschaften unserer jetzigen Zivilisation auszugraben. Die Menschheit hat ungefähr 3000 Jahre auf dem Mars gelebt, und als nun ein mutiges Team von Vorreitern zur Erde zurückkehrt, ist unsere Lebensweise lange vergessen.

Und so begleiten wir Protagonist Henry Dijon und seine Kollegen bei der Ausgrabung von Relikten aus einer alten Zeit und insbesondere bei der Suche nach der sagenumwobenen Stadt Mutropolis. Leider wird der Expeditionsleiter Professor Totel dabei entführt und so muss Henry sich auf den Weg machen, ihn zu retten. Unterwegs begegnet er dabei allerhand Feinden, die ihm an den Kragen wollen, ägyptischen Göttern und allerhand anderen interessanten Figuren.

 
Mutropolis ist auf eine liebevolle Art handgezeichnet, mit seinen futuristischen Umgebungen in knalligen Farben und seinen stark stilisierten Menschen. Alle Figuren erwachen mit simpler Mimik und sorgfältigen, aber sparsamen Animationen zum Leben. Das ist nicht negativ, sondern effektiv: viel der reduzierten Mimik findet über die Sprecher statt, die immer genau den richtigen Ton treffen.

Die grundlegende Steuerung ist schnell erklärt: der Spieler erkundet mit Henry die Welt, sammelt in Items ein und löst knifflige Rätsel. Diese sind durchgehend logisch und zusammenhängend, sodass man stets weiß, wonach man sucht und wie man grundsätzlich vorgehen muss, selbst wenn einem der entscheidende Hinweis noch fehlt.

Das Inventar lässt sich per Mausrad aufrufen, und die Gegenstände können mithilfe des Auges am rechten Rand der Tasche noch einmal angesehen werden. Es gibt keine Hilfefunktion, aber anhand von Dialogen können die

Kleine Geheimnisse

Mutropolis besticht durch einen charmanten Humor, der nie aufgesetzt wirkt. Das Spiel strotzt nur so vor ironischen und augenzwinkernden Anspielungen an unsere jetzige Welt, betrachtet durch die Brille eines Archäologen aus der Zukunft. Wer sich die Zeit nimmt, alles anzuschauen, stößt auf viele kleine Schätze.

Beispielsweise ein Buch, indem eine Pfeife abgebildet ist, eine Anspielung auf das Kunstwerk von René Magritte „La trahison des images“, übersetzbar mit „Der Verrat der Bilder“ – manchen wohl besser bekannt als „Ceci n’est pas une pipe“, also „Dies ist keine Pfeife“. Es zeigt eine Pfeife, ist aber eben nur das Bild einer Pfeife.

Natürlich schließen die Archäologen aus dieser Beschreibung, dass es sich um alles handeln könnte, aber eben nicht um eine Pfeife. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie jahrtausendealte Philosophie nicht verstehen? Aber damit nicht genug, jede neue Szene bringt kreative Ideen, Twists und spannende Entwicklungen in der Story, die zum Ende hin noch einmal richtig an Fahrt aufnimmt.

 
Das je nach Kombinationsgabe zwischen 8 und 12 Stunden dauernde Spiel macht dank des charmanten Looks und des cleveren Rätseldesigns immer Spaß. Die Story beginnt harmlos: Henry sucht seine geliebte Spitzkelle und muss dafür ganz nach traditioneller Detektivart Zeugen befragen, Spuren nachgehen und so ein Verbrechen rekonstruieren.

Später wird es aber deutlich komplexer: da muss tatsächlich am Tatort einer Entführung nach Spuren gesucht oder auch mal ein Schloss geknackt werden. Denn nachdem die verschwundene Spitzkelle wieder aufgetaucht ist, überschlagen sich die Ereignisse. Professor Totel wird entführt und nun müssen alle Kräfte gesammelt werden, um ihn zu finden.

Schlaue Rätsel

Entgegen des vorherigen Eindrucks spielt das Befragen im weiteren Spielverlauf keine Rolle, stattdessen müssen verschiedene Rätsel gelöst werden, die im Wesentlichen aus der Anwendung von Items an die richtige Stelle bestehen, aber mit „kreativ“ ist in diesem Falle abwechslungsreich, logisch und zusammenhängend gemeint. Ein typischer Aufbau wäre: Zielobjekt ist ein Mojito, der zur Beruhigung der Nerven getrunken wird.

Soweit nichts Neues, dieser Mechanik bedienen sich viele Rätselspiele. Statt zu einer langweiligen Fetchquest zu verkommen, schickt einen das Spiel erst mal auf Erkundung. Zunächst benötigt man die grundlegende Information, dass auch Lindenblütentee beruhigend auf beanspruchte Nerven wirkt, wofür ein wenig Literaturrecherche nötig ist.

Dann müssen Lindenblüten gesucht werden (die nicht mehr natürlich wachsen, also wo findet man Pflanzenproben aus antiker Zeit?), eine Tasse besorgt werden (was könnte als Tasse herhalten?), Wasser gefunden und erhitzt werden (das benötigt eine Referenzprobe, die wiederum aufwendig beschafft wird, und für das Wasser selbst muss eine weitere Person bestochen werden) und schließlich alles zu einer Tasse Tee kombiniert werden.

Und von solchen Rätseln gibt es mehrere, oft parallel verlaufende, sodass es wichtig ist, immer die Ziele im Blick zu behalten. Das kann schon mal in Grübelei ausarten, aber dafür ist es unglaublich belohnend, wenn es dann endlich klappt. Es gibt einen Sweet Spot bei solchen Rätselspielen, und der besteht darin, dem Spieler nicht zu viel Hilfestellung zu geben, aber trotzdem eine Herausforderung zu bieten, der er gewachsen ist.

Dahingehend trifft Mutropolis ins Schwarze. Die Hinweise sind genau subtil genug, um nicht plump zu sein, und die Lösungen stets kombinierbar. Die Knobelei ist immer mit jeder Menge Laufarbeit verbunden, die aber dank Henrys angenehmer Geschwindigkeit und der kurzen Wege nicht zu anstrengend ist. Trotzdem hätte ich mir eine Hilfe-Funktion gewünscht, denn für weniger Geduldige ist das Spiel so nicht bedenkenlos empfehlenswert.

Der niedliche Sidekick, Roboter Max, hätte sich angeboten. Es gibt kein Rätsel, das nicht mittels intensiven Nachdenkens und logischen Kombinieren der zur Verfügung gestellten Materialien lösbar ist. Aber es gab auch kein Rätsel, für das nicht zumindest etwas Herumprobieren nötig war.

Liebe zum Detail

Außerdem umschifft Metropolis geschickt die Hürden, über die viele Genrevertreter gerne stolpern. Henry ist kein ahnungsloser Trottel, sondern ein nerdiger Forscher, der zu allem interessante Anekdoten zu erzählen hat. Ein guter Einsatz von Anekdoten besteht darin, sie zu einem Charakterbild zusammenzusetzen. Und diese zu einer Spielwelt, in der die Geschichte organisch stattfindet und in der alle Hürden und Umwege nicht existieren, weil man aufgehalten werden soll. Sondern, weil der Charakter schlicht noch nicht alles hat, das er zum Weitergehen braucht.

Henrys Forschernatur lässt den Spieler die Welt durch seine Augen erleben. Um herauszufinden, welche Teile einer Mumie auch wirklich zur Mumie gehören, braucht er die Hilfe der Mumienforscherin, die bereits Teil des Spiels ist. Er selbst kennt sich nicht gut genug aus, also sucht er jemanden, der es tut.

An jeder Ecke spürt man die Liebe und Sorgfalt, die Pirita Studio in ihr Erstlingswerk gesteckt hat, und für Leute, die schnell die Konzentration verlieren, wenn die Abstimmung nicht gelungen ist, funktioniert Mutropolis auf jeder Ebene. Mit viel Witz und Verstand spricht es sowohl das Auge als auch das Köpfchen an.

Nicht zuletzt ist auch die englische Synchronisation absolut gelungen. Das Spiel ist auf Deutsch spielbar, hat eine englische Synchro und wurde auf Spanisch entwickelt. Mit der Hilfe des Publishers Application Systems Heidelberg, der sich auch schon für The Longing verantwortlich zeichnete, kommt das alles perfekt zusammen. Der Soundtrack ist ruhig, melodisch und geschickt eingesetzt: an ruhigen Orten fehlt er ganz und lässt den atmosphärischen Hintergrundgeräuschen Raum zum Wirken.

Fazit

Pirita Studio hat ein kleines Kunstwerk erschaffen, das über das Schicksal des eigenen Mülleimers ebenso nachdenken lässt wie über die Hinterlassenschaften unserer Zivilisation. Umso beeindruckender, dass das Team nur aus zwei Personen besteht. Auch wenn der eine oder andere Hinweis nicht geschadet hätte, macht es Spaß, sich den Kopf zu zerbrechen und gleichzeitig eine bis ins Detail gestaltete Welt zu erkunden.

Mutropolis ist für jeden Point-and-Click-Liebhaber eine bedenkenlose Empfehlung.

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