Minute Of Islands im Test (PC): (K)eine bewegende Geschichte

von Marco Mainz
Minute of Islands KeyArt

Das Abenteuer des kleinen Mädchens Mo, das es mit übermenschlichen Aufgaben zu tun bekommt, berührt durch seine ruhige Erzählweise. Doch diese stellt gleichzeitig die größte Schwäche von Studio Fizbins wunderschönem Werk dar.

Protagonistin von Minute Of Islands ist die junge Mechanikerin Mo, stets erkennbar an ihrem gelben Regenmantel und den dunkelblauen Haaren. Sie ist die Trägerin des Omni-Switch, eines mächtigen Werkzeugs und damit im immerwährenden Dienste der vier Brüder.

Diese vier Brüder, Safan, Bergan, Ande und Afla sind riesenhafte Wesen, menschenähnlich und doch fremdartig. Sie betreiben Maschinen, die ihre Welt am Leben halten. Doch an jenem Tag stehen die Maschinen still und die Brüder drohen an den Pilzsporen zu ersticken, die ihre Welt nun überfluten.

Eine verrottende Welt voller Gift

Mo muss die Giganten retten, um die Menschen zu retten, doch auch sie drohen zu ersticken. Im Spielverlauf erfahren wir sukzessive mehr über die Vergangenheit einer langsam verfallenden Welt. Die Pilzsporen scheinen mehr Symptom als Ursache einer fortschreitenden Vergiftung.

 
Mos Aufgabe ist es, mithilfe des Omni-Switches die Luftfilter wiederherzustellen und die Stromversorgung sicherzustellen. Was wie die Aufgabe eines Elektrikers klingt, ist in Wahrheit eine seltsame Verschmelzung von Mensch und Maschine.

Die vier Brüder leben im Untergrund, der voller organischer Elemente ist: Membranen trennen Räume voneinander ab, der Strom wird durch ein pulsierendes Herz geleitet und Nervenstränge durchziehen die seltsame Unterwelt wie Wurzelgeflecht.

Dort hat auch Mo ihr Zuhause, doch die Ereignisse zwingen sie, nicht nur das unterirdische Refugium, sondern auch die Insel zu verlassen und per Boot das Archipel zu bereisen.

Minute of Islands Brüder

Eine Welt in Nöten, und nur die vier Brüder können sie retten. Oder? | Bildquelle: Studio Fizbin

Eine (Anti-)Heldin voller Widersprüche

Auf den Nachbarinseln trifft sie vereinzelte Zurückgebliebene, Verwandte von ihr, die dem Dahinsiechen bisher widerstanden haben. Außerdem sammelt Mo anhand von Gegenständen und Orten Erinnerungen an eine vergangene Zeit ein, in der die Welt noch in Ordnung war.

Sie erscheinen in Form geisterhafter Wesen, die durch die Luft gleiten. Doch nun sind alle Menschen gezwungen, gegen die giftigen Sporen eine Gasmaske zu tragen. Alle, außer Mo selbst, die sich mit voller Absicht selbst zu vergiften scheint. Das bleibt nicht ohne Folgen, Mo leidet unter Husten und lebhaften Halluzinationen.

Das narrative Abenteuer stellt Mos Heldenrolle infrage und charakterisiert ihre negativen Eigenschaften, ihre Verzweiflung ebenso wie ihren selbstlosen Mut. Die Beziehung zu Schwester Miri verleiht Mos Charakterzeichnung weitere Tiefe.

Doch der finale Funke sprang nicht über, unsere Beziehung zur Heldin bleibt seltsam distanziert. Manche Anwandlungen der Heldin schienen so weit hergeholt, dass sie nicht mehr nachvollziehbar waren und uns etwas hilflos zurückließen.

Minute of Islands Mo

Mo ist die Heldin der Geschichte, doch sie ist nicht vor Fehlern gefeit. | Bildquelle: Studio Fizbin

Je weiter es dem Ende zuging, desto düsterer wurde das Bild, das von Mo gezeichnet wurde, und doch blieben wir unberührt. Die übergreifende Botschaft mag eine wichtige sein, doch das Vehikel ließ an zu vielen Stellen zu wünschen übrig.

Eintönige Puzzle, zähes Platforming

Denn obwohl Minute Of Islands ein Puzzle-Plattformer sein möchte, fühlt sich das Gameplay nicht danach an. Die Sprünge sind unpräzise und Mo ist selbst im Sprint noch langsam unterwegs. Klettern wir die Plattformen hinauf, fällt die schwammige Steuerung weniger stark auf als beim Herabklettern.

Gerade auf Rückwegen fehlen uns die Abkürzungen. Zusammen mit quälend langsamen Sequenzen wie beispielsweise das Anlegen des Bootes am Pier, bei dem wir nichts zu tun bekommen, ziehen solche Momente das bedachte Abenteuer weiter in die Länge.

Minute of Islands Puzzle

Die Puzzles ähneln sich nicht nur, sondern werden uns auch haarklein erklärt, was den Schwierigkeitsgrad überschaubar macht. | Bildquelle: Studio Fizbin

Unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Reparatur der Maschinen, nimmt dadurch nur einen Bruchteil der Spielzeit in Anspruch. Den Rest verbringen wir mit dem Zurücklegen von Wegen und dem Lauschen der Geschichte. Auch die Puzzles sind zu banal, um uns wirklich ins Grübeln zu bringen, da fast jedes Mal die benötigte Tastenkombination angezeigt wird.

Lange Animationen und schlaffes Ansprechverhalten kosten zusätzlich Nerven, sodass von einem echten Plattformer keine Rede sein kann. Um einen Tunnel zu durchkrabbeln, braucht Mo über zehn Sekunden, in denen wir zum Nichtstun verdammt sind. Zudem wiederholten sich fast alle Aufgaben und kosteten zusätzliche Motivation.

Starke Klanguntermalung mit Problemen

Minute Of Islands hat sich für eine Erzählerin entschieden, die das Geschehen begleitet. Die ausdrucksstarke Stimme gehört zur neuseeländischen Schauspielerin Megan Gay, ihre englischen Kommentare werden ins Deutsche übersetzt.

Diese Synchronisation verleiht der Geschichte Tiefe, da sie Einblicke in Mos Gedankenwelt gewährt, die sonst nicht stattfinden könnten. Abgesehen von der Erzählung bleibt das Werk textfrei, selbst Dialoge werden paraphrasiert. Das unterstützt die starken Bilder, doch die häufigen Unterbrechungen für die ein oder andere Anekdote unterbrechen spürbar den Spielfluss.

Minute of Islands Grafik

Die Schönheit der Welt zeigt sich in jedem Detail, doch die Wolken haben es uns besonders angetan. | Bildquelle: Studio Fizbin

Die Musik ist eine Erwähnung wert, denn die atmosphärischen Klänge hallen nach. Sie reichen von fröhlichen Melodien, die zu Mos Überfahrten auf dem kleinen Boot passen, bis hin zu den albtraumhaften Klängen eines drohenden Todes.

Allerdings trat bei uns ein Bug auf, der zur Folge hatte, dass ein Musikstück immer weiterspielte und dadurch auch über folgenden Tracks lag. Das nervt nicht nur, sondern hatte auch einen chaotischen Klangteppich zur Folge. Trotz des getrübten Genusses gefiel uns die musikalische Komponente sehr.

Die blühende Optik macht einiges wieder wett

Wo wir eben von den Bildern sprachen: Die Optik beeindruckt mit detailreichen, bunten Panoramen, die einer blau-gelb dominierten Farbpalette folgen. Diese ist an Mos Outfit angepasst, kontrastiert aber ebenso die giftigen gelben Pilzsporen und das reine Blau der frischen Luft und des klaren Meeres.

Rosarote Akzente komplettieren das Bild, die übergreifend für Energie stehen, so leuchtet der Omni-Switch in eben jener Farbe. Wir hatten in den vielen Cutscenes ausgiebig Zeit, diese Farbgebung zu studieren.

Minut of Islands Zwischenwelt

Was mag das Geheimnis hinter jener seltsamen Zwischenwelt sein? | Bildquelle: Studio Fizbin

Jede Insel ist individuell gestaltet, die Oberwelt hebt sich wiederum stark von der Unterwelt ab, deren seltsame Verschmelzung von Organik und Mechanik an das Sprichwort „Im Bauch der Erde“ erinnert.

Der handgezeichnete Comic-Look sollte aber nicht über die Ernsthaftigkeit des Spiels hinwegtäuschen. Obwohl Optik und Steuerung kindergerecht gestaltet sind, behandelt Minute Of Islands erwachsene Themen und schreckt auch vor Einsamkeit, Tod und Verlust nicht zurück.

Fazit

Publisher Mixtvision baut ein Portfolio beeindruckender Games auf, die mit überwältigender Optik glänzen. Doch im Falle von Minute Of Islands gelingt kein rundes Spiel. Studio Fizbin hat viel Mühe in die Ausarbeitung einer vielschichtigen Heldin gesteckt, ebenso wie in ein vereinfachtes Gameplay.

Aber nur bei der Optik gelingt ein kreatives Gesamtkunstwerk, das emotionale Abenteuer verliert sich zwischen mühsamen Passagen und etwas zu repetitiven Aufgaben. Obwohl der tolle Look und die atmosphärische Musik uns restlos begeistern konnten, ist das Puzzlespiel zu langatmig und repetitiv geraten, um seine erzählerische Gewalt zu entfalten.

Minute Of Islands ist eine tiefgründige Geschichte über eine junge Frau, die trotz überwältigender Optik hinter den Erwartungen zurückbleibt.

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