Jessika im Test (PC): Die mysteriöse Suche nach einer Toten

von Marco Mainz

Ein digitales Start-up-Unternehmen hackt Computer von Verstorbenen, damit deren Angehörige Zugriff auf die im Netz verstreuten Daten erhalten. Doch manche Dinge sollten lieber verborgen bleiben. „Jessika“ ist ein spannender Krimi, der Spieler mit ethischen und politischen Fragen gekonnt konfrontiert.

E-Mail-Accounts, Social-Media-Profile oder der eigene Reiseblock: Menschen schmeißen in der modernen Welt unzählige Daten in das Internet. Sie sind so lange sicher vor Fremden, wie wir sie davor schützen können. Doch was passiert eigentlich mit unseren Daten wenn wir sterben?

Wenn wir unsere eigenen Daten nicht mehr schützen können? Und wollen wir eigentlich, dass Hinterbliebende unseren digitalen Fußabdruck nachvollziehen können? Noch ist das nicht möglich. Gesetze verbieten es. Doch in ferner Zukunft könnte dies tatsächlich funktionieren.

Jessika wirft uns genau in ein solches Szenario. Wir heuern bei einem Unternehmen an und bekommen einen Job, in dem wir uns in den Computer der verstorbenen Jessika hacken. Die Frau hat Suizid begangen, doch niemand weiß warum. Ihr Vater hat unsere Firma beauftragt Informationen über Jessika zu besorgen, die ihre Tat erklären können.

Der neue Job als Hacker

Das Spiel von Studio Tritrie Games findet komplett auf dem Arbeitslaptop statt. Bedeutet, wir können auf dem Desktop zwischen verschiedenen Programmen navigieren. Im E-Mail-Postfach halten wir Ausschau nach neuen News oder löschen Spam-Mails, während wir im Messenger mit unseren Kollegen und unserem Auftraggeber, Jessikas Vater, chatten.

 
Das Herzstück allerdings ist unser Hacking-Tool, der Decrypter. Keine Sorge, die Kölner Entwickler zwingen niemanden Coden zu lernen. Vielmehr müssen wir Schlagworte eingeben, durch die wir Dateien auf dem Rechner von Jessika finden. Das Spielprinzip ist sehr stark an den Indie-Erfolshit „Her Story“ (2015) angelehnt.

Das gesamte Spiel findet auf einem Laptop statt. | Bildquelle: Tritrie Games

Da uns erste Informationen vom Vater sowie einige Dokumente bereits vorliegen, können wir gleich mit unseren ersten Suchanfragen loslegen. Die ersten Begriffe die wir eingeben sind „Jessika“, „Familie“ und „Freunde“. Schnell erhalten wir erste Dateien, vorrangig Videos, die wir uns anschauen.

Was schnell klar wird: Jessika hat ein Video-Tagebuch geführt, das in verschiedenen Dateien fragmentiert auf dem Server liegt. Diese Aufzeichnungen sind der Schlüssel zu der Frage, warum sich die Frau das Leben genommen hat. Schlagworte, die sie in den Videos nennt, sorgen gekonnt dafür, dass wir sie wie auf Schnitzeljagd schnellstmöglich in unser Hacking-Tool tippen, um so noch mehr Videos zu finden.

 
Einige Dateien sind jedoch verschlüsselt und können erst angeschaut werden, wenn wir andere Dateien bereits gesehen haben. Das sorgt dafür, dass wir nur nach und nach in der vorgesehenen Dramaturgie die Dateien anschauen können. Clever!

Interessante Funde teilen wir mit Arbeitskollegen im Messenger sowie dem Vater von Jessika, um so mehr Informationen zu erhalten. Zum Beispiel erfahren wir durch das Finden eines Fotos von einem Hund, den Jessika mal als Haustier hatte.

Mit Informationen wie diesen konfrontieren wir den Vater, der uns weitere Anekdoten zu seiner Tochter erzählen kann. Das treibt die Detektivarbeit nach vorne.

Dateien wie Bilder oder Dokumente finden wir durch das Eingeben von Schlagworten im Decrypter. | Bildquelle: Tritrie Games

Produktion? Gut und günstig

Gespielt wird Jessika von Lisa Sophie Kusz. Die 36-Jährige ist bekannt durch diverse Nebenrollen im Film und Fernsehen (u.a. Soko Köln). Alle Szenen im Spiel sind in deutsch eingesprochen. Wahlweise kann die englische Lokalisation aktiviert werden.

Jedoch wird die Tonalität des Spiels durch die deutsche Original-Stimme von Kusz besser übertragen. Das Schauspiel selbst ist trotz merklich kleinem Budget ausgesprochen gut. In nur wenigen Set Pieces schaffen es die Macher eine Entwicklung von Jessikas persönlichen Einstellungen aufzuzeigen.

Das Bild von Jessika in der Opferrolle bröckelt mit der Zeit stark und als Spieler fragten wir uns: Ist sie wirklich Opfer oder Täter? Was nämlich von Video zu Video zu Tage kommt, ist kein normaler Auftrag, den wir für unsere Firma erledigen.

Vielmehr möchten wir über Jessika nicht verraten. Der Titel ist inhaltlich eine reine Spoilerfalle und sollte daher auf eigene Faust erkundet werden.

In den Videos macht Schauspielerin Lisa Sophie Kusz eine gute Arbeit. | Bildquelle: TriTrie Games

Fazit

Jessika ist ein kurzweiliges Mystery-Adventure mit einer Spielzeit von etwa sechs Stunden. Die Huldigung des englischen Indie Games „Her Story“ funktioniert tadellos und erzählt Dank guter schauspielerischer Leistung von Lisa Sophie Kusz die Erlebnisse und Einstellungen einer verstorbenen Frau. Besonders die Entwicklung von Jessika wurde nach und nach sehr gut erzählt und wirkte, vielleicht auch wegen des deutschen Original-Tons, zu keiner Zeit aufgesetzt.

Storytechnisch wird die Prämisse sowie das Gameplay gut verwoben, sodass es keinen Bruch in der Immersion gibt. So ergibt die Nutzung der Laptop-Benutzeroberfläche einen Sinn. Gleiches gilt für das Hacken des Rechners von Jessika, das durch den Geschäftszweck der Unternehmens gut erklärt wird.

Eingehende E-Mails und Chats mit Kollegen lenken vom sonst recht monotonen Gameplay ab und bringen etwas Abwechslung in das Spiel. Uns persönlich kam das Ende des Indie-Titels etwas zu abrupt. Wir hätten gerne noch einen weiteren finalen Akt zu Jessika erzählt bekommen. Besonders zu den Beziehungen zu ihren Eltern und Freunden hätten wir gerne mehr mitbekommen.

Das Kölner Studio Tritrie Games hat mit Jessika einen interessanten Krimi produziert, der in wenigen Sessions lockerflockig durchgespielt werden kann. Das Indie Game ist besonders für Liebhaber von experimentellen Spielen zu empfehlen.

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