Genesis Noir im Test (Switch): Eine musikalische Reise zum Urknall

von Marco Mainz

In Genesis Noir begibt sich Protagonist No Man auf eine Reise durch Raum und Zeit, um einen tödlichen Schuss zu verhindern. Begleitet von einem jazzigen Soundtrack reißt uns dieses tiefgründige Abenteuer mit und erzählt ganz nebenbei von der Entstehung des Universums.

Ein kosmischer Anschlag der Eifersucht

Das Point-and-Click-Adventure Genesis Noir ist das Debütwerk des New Yorker Entwicklers Feral Cat Den und erzählt uns die Geschichte von No Man, der Zeuge eines göttlichen Konflikts wird. Aus Eifersucht versucht sein göttlicher Widersacher Golden Boy, No Mans Geliebte Miss Mass mit einer Pistole zu ermorden. Um das zu verhindern, muss No Man einen Plan schmieden und sich durch Raum und Zeit auf Spurensuche begeben.

Nach einer kurzen Einleitung befinden wir uns gleich am Ort des Geschehens, wo es zur Konfrontation kommt. Von dort aus bereisen wir episodisch das Universum und kehren immer wieder zurück. Jedes Mal bringen wir Artefakte mit, die ein Zeugnis der Wirkung des eifersüchtigen Gottes geben. Unser Ankerpunkt ist der Schuss, der Urknall selbst, eingefroren in der Zeit.

Jedes der Kapitel behandelt einen chronologischen Abschnitt der wahren Schöpfungsgeschichte. Mit wissenschaftlichen Fakten unterlegt erleben wir die Entstehung von Sternen, von Leben und die Entwicklung der Menschheit. Trotz all der weltbewegenden Vorgänge bleibt unser Ziel stets, Golden Boy an seinem Attentat zu hindern.

 
Wiederkehrendes Motiv ist die Spirale, die No Man die Raumzeit durchqueren lässt. Sie taucht immer wieder auf und webt einen metaphorischen roten Faden in die Erzählstränge. Auf unserer Suche stoßen wir außerdem immer wieder auf Erinnerungsfragmente, die uns die Liebesgeschichte mit Miss Mass näherbringen.

Ein sorgsam komponiertes Zusammenspiel

Außer einleitender Erklärungen am Kapitelanfang wird die Story von Genesis Noir wortlos erzählt. Mithilfe vieler kleiner Puzzles bringen wir die Geschichte voran. Es handelt sich nicht wirklich um Rätsel, da nichts kombiniert wird. Stattdessen erfüllen wir einfache Aufgaben. Sie neigen im Spielverlauf leider dazu, sich zu wiederholen und wirken stellenweise wie Hindernisse, die den Spielfluss unterbrechen.

Jede Aufgabe beruht auf Interaktionen mit Gegenständen und der Umgebung. Meist wird anhand der grafischen Darstellung schnell klar, was zu tun ist. Allerdings sind wir auch auf ein paar Negativbeispiele gestoßen. Diese waren dann nicht so selbsterklärend oder basierten sie schlicht auf Versuch und Irrtum. Da die Aufgaben so gestaltet sind, dass ein Scheitern nicht möglich ist, wirkt sich diese Mechanik nicht stark auf den Fortschritt aus.

Ein Cursor zeigt an, womit wir in welcher Form interagieren können. Sehen wir eine Hand, können wir den Gegenstand anfassen, ein Auge lässt und betrachten, mit einem Pfeil können wir uns in eine Richtung bewegen. Mit dem Cursor die richtigen Punkte zu treffen kann auf der Nintendo Switch anstrengender ausfallen als am PC. Müssen beispielsweise bewegliche Blasen zum Platzen gebracht werden, reagiert der Stick träger als eine PC-Maus.

Wenige Striche erschaffen eine Welt

Durch die einzelnen Kapitel führt uns eine goldene Spur, die als Richtungsweiser fungiert. Sie kann verschieden gestaltet sein: Mal folgen wir Meteoritensplittern, um die Bildung eines Planeten zu erleben, mal Pfeilspitzen, wenn der Mensch zum Jäger wird. Die Farbe Gold dient als Marker und kennzeichnet Interaktionsmöglichkeiten.

Genesis Noir bietet eine auf Schwarz, Weiß und Gold reduzierte Farbpalette. Die Menschen, nicht mehr als weiße abstrahierte Striche auf schwarzem Grund, bewegen sich durch eine weitestgehend farblose Umgebung. Nur das Gold, die Farbe des Göttlichen und des Künstlers Golden Boy, hebt sich von der monochromen Optik ab und weist uns so den Weg.

Die kontrastreiche Darstellung verfehlt ihre Wirkung nicht und unterstützt bildgewaltig die tiefgründige Geschichte. Und wenn gegen Ende doch Farben auf den Bildschirm kommen, verfehlt das seine psychedelische Wirkung nicht.

Auch die simplen Texturen sind enorm wirkungsvoll. Mit wenigen sich kreuzenden Strichen wird eine Zwischendimension erschaffen, in der sich unendlich viele Varianten unserer selbst spiegeln. Die irritierende Mischung aus 2D und 3D lässt uns oft ein zweites Mal hinsehen. Wenn wir mit No Man durch das nachtschwarze All laufen, wechseln ständig Perspektive und Größenverhältnisse. Oft sehen wir statt eines Spiels vielmehr abstrakte Kunst, die uns komplexe Zusammenhänge visualisiert.

Diese grafische Opulenz kommt auf der Switch am besten im Docking-Modus zur Geltung, da auf dem kleinen Bildschirm die Auflösung der weißen Linien schwächelt und es zu Rucklern kommt. Wer diese Möglichkeit nicht hat, sollte es auf dem PC spielen, um die außergewöhnliche Grafik genießen zu können.

Fazit

Die Musik ist mehr als nur ein Soundtrack. Sie ist mit der Geschichte selbst verwoben, da Miss Mass eine berühmte Sängerin und unser Nebenbuhler ein Saxophonspieler ist. Sie kommt vor allem bei den gelegentlichen Konfrontationen zur Geltung. In solchen Momenten werden wir vom Klang mitgerissen und begeistert. Aber auch in den Puzzles bieten Töne eine Unterstützung, indem sie auf richtige Eingaben reagieren.

Wir hören vor allem ruhigen Jazz, aber auch Trommeln und Gesang kommen zum Einsatz. Weniger mitreißend wirken lange musiklose Passagen, in denen nur die Schritte von No Man und das Pfeifen des Windes eine dünne Klangkulisse boten. Das erzeugt unnötige Längen.

So ansprechend das Spiel optisch auch ist, ein paar Punkte fallen dennoch negativ ins Gewicht. Obwohl in den Optionen manuelles Speichern möglich scheint, mussten wir die Kapitel nach Beenden des Spiels wieder von vorne beginnen. Das war umso ärgerlicher, weil zum Zeitpunkt des Tests mehrere Bugs auftraten und uns zurückwarfen. Von solchen Problemen wurden plattformübergreifend berichtet. Die Entwickler versprechen zeitnah Patches.

Fallen diese Stolpersteine weg, bleibt die Kritik an der umständlichen Steuerung auf der Switch und sich wiederholenden Puzzle-Elementen. Wir empfehlen trotz der handwerklichen Mängel, der großartigen und allumspannenden Geschichte über Liebe und Existenz eine Chance zu geben. Wir können sie gar nicht genug loben. Des Weiteren beeindruckt Genesis Noir mit einzigartiger Schwarz-Weiß-Optik und zarter Musik, die auch gelegentliche Schwächen im Gameplay verzeihbar machen.

Genesir Noir ist all jenen zu empfehlen, die stets auf der Suche nach Indie-Werken mit besonderem Grafikstil sind.

 

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