Untitled Goose Game im Test (PC): Gans schön frech!

von Marco Mainz
Untitled Goose Game Artwork

Der Überraschungshit Untitled Goose Game hat seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2019 eine Welle an Nachahmer-Titeln inspiriert. Wir gehen dem Erfolgsrezept des Titels von Developer House House auf den Grund.

Stellt euch ein friedliches Dorf vor, in dem jeder den alltäglichen Tätigkeiten nachgeht. Da beackert der Gärtner sein Beet und kümmert sich hingebungsvoll um seine Karotten. Eine Kellnerin wischt die Tische ihrer Bar ab und bereitet alles für die abendlichen Gäste vor.

Ein Herr in Pantoffeln raucht Pfeife, liest Zeitung und schlürft nebenher ganz stilecht seinen Tee aus einer Porzellantasse. Das ganze Dorf ist eine friedliche Idylle. Doch daran wollen wir unbedingt etwas ändern, denn wir sind eine unartige Gans und haben tierischen Spaß daran, den Menschen ihren wohlorganisierten Tag zu verderben.

Wozu braucht man eine Story, wenn man eine Gans haben kann?

Als schneeweiße Gans werden wir in Untitled Goose Game auf die Menschheit losgelassen, um uns am Unfrieden und Chaos zu erfreuen. Im Gepäck haben wir ein paar Basisoperationen wie Ducken oder Schnattern. Letzteres zieht sofort alle Aufmerksamkeit auf unsere gefiederte Heldin, was uns durchaus zum Vorteil gereichen kann.

Die wichtigste Aktion ist zweifellos das Aufheben von Gegenständen, die wir im Schnabel umhertragen oder, falls sie zu sperrig sind, hinter uns herziehen. Derart ausgerüstet, wackeln wir direkt in unser erstes Einsatzgebiet, den Gemüsegarten.

Eine handgeschriebene Aufgabenliste präsentiert uns die Missetaten, die wir im jeweiligen Gebiet erfüllen sollen. Darunter befinden sich meist kleinere Aufgaben, die Menschen in eine Falle zu locken, um sie beispielsweise stolpern oder hinfallen zu lassen.

Ein komplexerer Auftrag erfordert das Sammeln bestimmter Gegenstände an einem spezifischen Ort. Sie werden bei Erfüllung automatisch durchgestrichen, am Ende erlaubt eine Zusatzaufgabe den Zugang in neue Bereiche des Dorfes.

Untitled Goose Game Brunnen

Wie es in den Brunnen hineinquakt… Das Schnattern ist essenzieller Teil der Strategie. | Bildquelle: eigener Screenshot

Doch natürlich können wir nicht einfach herumwatscheln und frei über fremder Menschen Eigentum verfügen. Die Dorfbewohner sind von unserem Treiben wenig amüsiert, viele versuchen, uns zu verscheuchen.

Manche gehen sogar mit einem Besen gegen uns vor oder jagen uns von ihrem Gelände. Sollte uns die Flucht nicht gelingen, wird uns der Gegenstand, den wir gerade im Schnabel haben, entwunden. Als Gans sind wir minimal langsamer als unsere Verfolger, ohne Schlupfmöglichkeiten klappt das Wegrennen also nicht.

Glücklicherweise gibt es in vielen Gebieten kleine Durchgänge, die Ganshöhe haben und uns ein kurzfristiges Verstecken vor den Verfolgern erlauben. Der Soundtrack trägt sein Scherflein zur Stimmung bei, indem er das Geschehene musikalisch raffiniert untermalt.

Untitled Goose Game verwendet Schnipsel von Claude Debussys Préludes, die neu arrangiert wurden. Dadurch entsteht ein eigenwilliger Soundtrack, der so auffällig wie dezent daherkommt.

Ordnung ist humorlos

Wenn sie nicht gerade hinter uns herrennen, stellen die Bewohner ihre Ordnung wieder her, die wir so mühsam gestört haben. Während wir unsere Aufgaben erfüllen, müssen wir sie also stets auf Trab halten, damit sie sich unsere gestohlenen Gegenstände nicht zurückholen.

Über ihren Köpfen erscheint stets ein Symbol des Items, das sie gerade vermissen. Durch geschicktes Stören können wir sie vom Aufräumen abhalten. Statt ihn seine Pantoffeln aus dem Pool fischen zu lassen, lenken wir den Gentleman mit seiner Zeitung ab, die wir zur Nachbarin entführen.

Diese wird sie ihm zurückgeben, aber erst, nachdem ihre kostbare Vase wieder auf dem Podest steht. Genug Zeit für uns, unserem Schabernack nachzugehen. Gerade Aufgaben, bei denen bestimmte Gegenstände an einem Ort gesammelt werden müssen, können sich aber hinziehen. Dabei fällt die etwas ungenaue Steuerung der Gans stärker ins Gewicht.

Untitled Goose Game Socke

Verlockend, diese Socke! Darüber hinaus benötigen wir sie für eine Aufgabe. | Bildquelle: eigener Screenshot

Die Aufgaben sind anspruchsvoll gewählt, aber mit etwas Nachdenken zu lösen. Simples Herumprobieren bringt uns selten zum Ziel, aber das eine oder andere Schnattern zum richtigen Zeitpunkt lässt Gegenstände gerne mal zu Bruch gehen. Hier kommt es auf das Timing und die geschickte Anwendung der rechten Maustaste an.

Die Steuerung ist so simpel wie hakelig, es kommt hin und wieder zu kleineren Unfällen. So ließen sich manche Gegenstände nur schwer bewegen, und manchmal hängt unsere Gans auch fest. Da es sich dabei nie um Totalausfälle handelte, fielen sie aber nicht ins Gewicht. Insgesamt empfiehlt sich aber die Controllersteuerung, da Maus und Tastatur sich klobig und unpräziser anfühlen.

Die Essenz der Schadenfreude ist die Freude am Schaden anderer

So simpel wie die Steuerung präsentiert sich auch die Optik. Der minimalistische, schattenfreie Zeichenstil passt zum schelmischen Spielgefühl. Wozu würden wir auch eine ausgefeilte Grafik benötigen, wenn es doch nur um das Unruhestiften geht? Das ist mit doppeltem Spielspaß auch im lokalen Koop-Modus (via Steam Remote auch online) möglich, den wir ebenfalls getestet haben.

Bei flüssiger Verbindung können so gleich zwei diebische Gänse die Nachbarschaft unsicher machen. Der Partner kann sich jederzeit dazuschalten und ist bei unseren Aufgaben behilflich. Beide Gänse befinden sich auf dem gleichen Bildschirm und müssen innerhalb eines gewissen Abstands bleiben.

Zusammen geht der Unfug leichter von der Hand, allerdings muss für die zweite Gans zwingend ein Controller zugeschaltet werden.

Bewohner reagieren unterschiedlich auf uns, doch die Flucht ist ein seltener Anblick. | Bildquelle: eigener Screenshot

Nach Beenden des Abenteuers werden im ganzen Dorf neue Zusatzaufgaben freigeschaltet. Da uns alle Bereiche vollständig zugänglich sind, können diese in beliebiger Reihenfolge erledigt werden und bieten neue Herausforderungen für Ehrgeizige.

Fazit

Wir hatten nach den etwa sechs Stunden genug von der gerissenen Gans und fällen unser Fazit: Untitled Goose Game ist die Blaupause aller Spiele, die mit böswilligen Protagonisten und etwas hämischer Schadenfreude für spaßige Stunden sorgen. Die völlige Abwesenheit einer Story gehört dabei zum Konzept.

Dennoch kommt hin und wieder Frust auf, wenn die Gans mal nicht will wie wir. Dank des lokalen Koops und viel Geschnatters hatten wir dennoch eine gute Zeit im zweiten Titel von Developer House House. Auch Publisher Panic hat nach Firewatch mit dem Gänseabenteuer erst sein zweites Spiel im Portfolio.

Für alle, die mit mutwilliger Zerstörung, böswilligem Diebstahl und unartigem Verhalten ungerupft davonkommen wollen.

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