The Town of Light im Test (PS4): Alltagshorror mitten in der Toskana

von Marco Mainz

Ein historisches Ereignis in ein Videospiel zu packen ist immer ein heikles Unterfangen. Besonders dann, wenn das Thema schwerer Natur ist. In “The Town of Light” werden die unmenschlichen Patienten-Bedingungen der ehemaligen Nervenheilanstalt von Volterra beleuchtet. Warum der Debüt-Titel von Studio LKA bei uns gemischte Gefühle hinterlässt erfahrt ihr in unserem Test.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden im ”Ospedale Psichiatrico di Volterra” geistig kranke Menschen eingewiesen und mit folterähnlichen Methoden wie Strom-Therapien oder Lobotomien “behandelt”. Erst in den 70er Jahren zog die italienische Regierung die Stecker und schloss diese und ähnliche Anstalten, um den Patienten ihre Grundrechte wiederzugeben.

Um das Setting möglichst authentisch zu halten, betrieb Entwickler LKA viel Recherchearbeit, besuchte Originalschauplätze in der Toskana und baute schließlich die Nervenheilanstalt aus Vonterra für Videospieler nach.

Rückkehr zur Folterstätte

Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle der ehemaligen Patientin Reneé (fiktiver Charakter), die ihre Jugend in der Einrichtung verbrachte und allerlei Torturen miterleben musste. Nun, Jahre später, kehrt sie zurück.

Das Gebäude ist zwar mittlerweile verlassen, doch in den Räumlichkeiten sind noch allerlei Utensilien zurückgeblieben, die an die verstörenden Zustände seinerzeit erinnern. Reneé ist auf der Suche nach Antworten zu ihrer Vergangenheit.

Beim Spielen fühlen wir uns sofort an bekannte Walking Simulatoren wie “Gone Home” oder “Everybody’s Gone to the Rapture” erinnert. Das Spielprinzip ist klar. In buchstäblich Schritttempo und Ego-Perspektive bewegen wir uns auf dem Anstaltsgelände umher, entdecken Dokumente und lösen kleine Rätsel.

Reneé leitet uns mittels Monologen durch die Gänge und teilt ihre störenden Erinnerungen mit uns. An einigen Punkten können wir als Spieler die Handlung beeinflussen, indem wir beispielsweise entscheiden ob wir einen Brief weiterlesen oder lieber weglegen. Die Auswirkungen sind aber nicht der Rede wert und beeinflussen nicht das Ende. Letzteres ist im Übrigen schnell erreicht. Kaum zwei Stunden liegen zwischen Prolog und Endsequenz.

Starke Story, schwache Performance

Eine erzählerische Tiefe wird besonders gut durch die Zwischensequenzen im Graphic-Novel-Stil erreicht. Dabei leisten wir Reneé während ihrer Torturen Beistand. Explizit wird das Spiel zu keiner Zeit und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, entwickelt sich die Story zu einem blanken Horror.

Es ist das Wissen um die Echtheit gepaart mit dem Kopfkino, was letztlich die Geschichte so packend macht. Aber so gut die Zwischensequenzen auch inszeniert sind, rein von der Ingame-Grafik kann das Spiel mit den bereits oben genannten Vertretern des Genres nicht mithalten. Die Texturen sind matschig und besonders die Bäume und Pflanzen auf dem Außengelände sind sehr schwach modelliert.

Auch beim Charakter-Design, das eher an Knetfiguren als an Menschen erinnert, hätten die Macher mehr rausholen können.Dazu kommen die schlechten Soundeffekte von beispielsweise Türen und Schränken, deren immer gleiches Quietschen einfach sehr billig wirkt. Selbst für einen Indie-Titel ist das leider zu wenig. Da helfen auch die Stimmen der beiden prominenten Youtuber Pandorya und Gronkh nicht.

Auch spielerisch fällt The Town of Light auf der Konsole stark ab. Das beginnt schon mit dem Auswahlkreuz in der Bildmitte, das einen Gegenstand schon ganz genau anvisieren muss, um ihn anwählen zu können. Einfaches in die Richtung schauen reicht nicht. Die Folge: Nerviges Hin- und Hergeschiebe mit dem Analog-Stick.

Schade, da die Steuerung auf dem Computer dank der Maus ganz flüssig läuft. Zu allem Übel kommt noch das regelmäßige Ruckeln, während des Autospeicherns hinzu, wie etwa beim Entdecken von Gegenständen oder neuen Orten. Da merken wir als Spieler schnell, dass hier eine schlechte Portierung vom PC von Statten ging.

Fazit

Eine Frau ganz alleine in einer verlassenen Irrenanstalt. 99% der Entwickler würden sofort dem Horror-Trend nachjagen und eine Outlast-Kopie fabrizieren. Nicht aber die Leute von LKA. Mit “The Town of Light” beleuchtet das Studio aus Florenz erstmals dokumentarisch die grausame Behandlung von Nervenheilanstalts-Patienten in einem Videospiel. Wahrlich eine ehrenwerte Prämisse.

Das Storytelling funktioniert und die Zwischensequenzen geben einen guten Eindruck über die damaligen Behandlungsmethoden. Von dieser Seite aus top!
Eine gute Doku macht aber bei weitem noch kein gutes Spiel aus. Auf der technischen Ebene fällt das LKA Debüt bei uns leider völlig durch. Weder grafisch noch vom Sound-Design kann das Game mit den heutigen Standards mithalten. Die ständigen Ruckler und Bugs geben ihr Übriges und lassen den Spielspaß vor der Tür.

 

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