Grand Mountain Adventure im Test (PC): Der Berg ruft

von Marco Mainz
Grand Mountain Adventure

Während draußen die Krokusse sprießen, bringt das schwedische Entwicklerstudio Toppluva den Winter auf die Bildschirme zurück. Grand Mountain Adventure: Wonderlands heißt ihre Ski- und Snowboardsimulation und der Titel verspricht nicht zu viel: Das hier ist, trotz kleiner Sprites und überwiegend simpler Grafik, in der Tat ein großes Bergabenteuer.

Entwickelt wurde das Sportspiel von drei snowboardverrückten Brüdern aus Schweden und baut auf deren nahezu gleichnamigem, millionenfach heruntergeladenen Android- und iOS-Spiel auf. Ich muss gestehen, ich habe es nie gespielt, auch nicht zur Vorbereitung auf diesen Test, aber vor etwa drei Jahrzehnten habe ich unzählige Stunden mit einem NES-Spiel namens „Ski or Die“ verbracht – gilt das? Aber während Ski or Die nur eine Skistrecke mit, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, gerade mal zwei geheimen Wegen zu bieten hatte, gibt es in Grand Mountain Adventure unendlich mehr zu fahren – und zu entdecken.

Jeder der insgesamt zwölf nach und nach freispielbaren Berge, ist genau das: ein Berg und nicht nur ein paar über Lifte erreichbare Pisten. Das heißt, ihr könnt im Prinzip überall hin – wenn ihr genug Schwung und Skill habt und an richtigen Stellen abbiegt oder auch mal springt. Ihr könnt durch unberührte Tiefschneefelder fahren, durch Lawinen und Wälder, über verschneite Hausdächer, zugefrorene Gewässer, Straßen und sogar Eisenbahnschienen. Die drei boardenden und Videospiele entwickelnden Brüder von Toppluva lassen euch ihre großen Bergareale auf freie Faust und in eurem Tempo erkunden.

Auf rasanter Jagd nach Skipässen

Die Pisten sind, mal mehr, mal weniger mit NPCs bevölkert, die ihr übrigens schubsen oder auch schlagen könnt, solltet ihr den Pistenrowdy mimen wollen. Da, wo die Schneewalze nicht fährt, seid ihr meist allein mit dem Tiefschnee. Es sei denn, euch begegnet ein Bär. Auch die zotteligen Vierbeiner lassen sich übrigens verhauen. In einer der vielen auf den Karten platzierten Herausforderungen und Prüfungen müsst ihr das sogar tun, wenn ihr einen Skipass ergattern wollt. Skipässe sind gewissermaßen die Sammelwährung bei Grand Mountain Adventure und nötig, um neue Lifte, Aufgaben und Berge freizuschalten.

Ab in den Tiefschnee: Jeder der zwölf Berge ist eine große Open World, in der ihr überall hinkönnt. | Bildquelle: eigener Screenshot.

Manche dieser Skipässe sind an versteckten oder schwer erreichbaren Stellen platziert. Die Mehrzahl jedoch verdient ihr euch, indem ihr verschiedene Aufgaben bewältigt. Da gibt es klassische Rennen, die wie Super-Gs oder Riesenslaloms im alpinen Skizirkus gesteckt sind, aber auch Kurse, die Rails oder Funpark-Elemente enthalten. Manchmal zählt Geschwindigkeit, manchmal Genauigkeit, wenn ihr ohne Zeitlimit Tore oder Ringe durchfahren müsst.

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Dann wiederum gibt es Herausforderungen, in denen ihr eure Strecke selbst wählen könnt und in einem Zeitrahmen durch gekonnte Sprünge eine bestimmte Punktzahl knacken müsst. Auch Weitsprungwettbewerbe und einige Variationen der oben genannten Herausforderungen sorgen für Abwechslung. Wer hingegen einfach nur in Ruhe skifahren oder boarden will, kann auch das tun: Grand Mountain Adventure zwingt euch zu nichts und enthält sogar einen ZEN-Modus, der alle NPCs, Sammelgegenstände und Aufgaben vorübergehend von der Karte tilgt, so dass nur ihr und der verschneite Berg übrigbleiben.

Knifflige Abfahrten, doch runter kommen sie alle

Die Steuerung ist simpel, ihr seid sofort im Spiel und wer nicht bremst oder Stuntsprünge hinlegen will, braucht im Grunde nur den linken Stick, um gen Tal zu fahren. Aber wie schon bei Trials und anderen Genregenossen gilt auch für Grand Mountain Adventure: Einfach zu lernen, schwer zu meistern. Der Schwierigkeitsgrad der zunächst sehr entspannten Herausforderungen zieht kontinuierlich an.

Da man aber selber ebenfalls besser wird, schafft es das Spiel für meinen Begriff gut, zu motivieren, ohne groß zu frusten. Und man muss ja auch nicht jeden Skipass haben – jedenfalls nicht, um den nächsten Berg zu sehen. Nur, um mit sich selbst zufrieden und im Reinen zu sein.

Unter den Herausforderungen sind auch klassisch gesteckte Riesenslalom-Rennen auf Zeit. | Bildquelle: eigener Screenshot.

Eine praktische Zurückspul-Funktion bringt euch innerhalb der Herausforderungen auf Knopfdruck zum Start zurück, beim freien Fahren an eine kurz zurückliegende Stelle. Ebenfalls komfortabel: Ihr könnt jederzeit zwischen Carvingski, Twin-Tip-Ski mit aufgebogenen Hinterenden (praktischer für Tricksprünge, da ihr danach auch rückwärts weiterfahren könnt) oder den entsprechenden Boards wechseln. Ich hatte mit Ski angefangen, bin dann irgendwann auf Snowboard umgestiegen, und schließlich habe ich munter gewechselt.

Die Grafik gibt sich spartanisch schön

Mit Skiern könnt ihr etwas schneller Geschwindigkeit aufbauen als mit dem Board und ihr könnt leichter kurze, bergauf führende Passagen bewältigen. Zum Beispiel, weil dort ein Skipass versteckt ist. Mit dem Board konnte ich im Gegenzug einige kurvige Kurse besser bewältigen und zunächst auch das Schlittern über die Rails, was dann nach einigen Stunden aber auch mit Skiern nicht schlechter klappte.

Die Optik würde ich in weiten Teile als zweckmäßig bezeichnen. Gerade die Bäume, Häuser und Autos (gibt es in an manchen Bergen wirklich, ebenso wie Straßen) sind ziemlich simpel gehalten. Aber das wichtigste – den Schnee – haben die Jungs aus Schweden hinbekommen: Er sieht gut aus, realistisch und so unterschiedlich wie in Wirklichkeit. Er klingt auch gut, wenn ihr hindurchcarvt, und, das Wichtigste: er fühlt sich auch gut an.

Zu Liften und Herausforderungen, die ihr schon einmal gefahren seid, könnt ihr durch eine Schnellreise über die Bergkarte jederzeit zurückkehren. | Bildquelle: eigener Screenshot.

Die über und immer ein Stück vor euch fliegende Kamera folgt dabei jeder eurer Bewegungen. Drückt ihr also den Stick nach links, macht auch die Kamera dasselbe. Am Anfang durchaus gewöhnungsbedürftig, doch nach einer Weile merkt ihr es nur noch bei ruckartigen Manövern, dann habt ihr nicht immer den optimalen Blickwinkel auf euren recht kleinen Skifahrer- oder Boardersprite. Wedelt ihr hingegen locker-flockig den Berg hinab, verstärkt die euch folgende Kamera das Skifeeling durchaus noch.

Multiplayer geht stellenweise im Schnee baden

Auf der technischen Seite gab es anfangs ein paar Probleme: In den ersten Stunden erkannte das Spiel manchmal eine Richtung beim linken Stick nicht mehr. Übrigens unabhängig davon, ob ich einen Xbox-Controller oder einen DualShock verwendete. Ein Bunnyhop oder eine Schnellreise (alle bereits benutzten Lifte lassen sich direkt über die Karte anwählen) behob das Problem meist, später dann tauchte es gar nicht mehr auf. Dafür startete das Spiel nach dem ersten Entwicklerpatch nicht mehr. Kein Einzelfall, wie auf Steam zu lesen war und ist, aber ein weiteres Update behob das Problem nach ein paar Stunden. Es scheint, als würden die drei boardenden Brüder aus Schweden weiterhin Zeit und Liebe in ihr Baby investieren.

Hoffentlich auch in den Mehrspielermodus, auf den ich mich sehr gefreut hatte, der meine Erwartungen aber leider nicht ganz erfüllen konnte. Mit bis zu vier Spielern könnt ihr euch entweder in zufällig gewählte Herausforderungen, sprich Rennen, aus dem Singleplayer stürzen. Dann sollten eure Mitspieler aber in etwa euer Skill-Level haben, denn der Bildschirm wird nicht gesplittet. Das bedeutet, wer dann nicht im Screen ist, ist auch aus dem Rennen, weshalb die Herausforderungen im Familienkreis meist nach ein paar Sekunden schon wieder zu Ende waren: für niemanden wirklich befriedigend.

Die Entwickler von Toppluva nehmen euch auch in ihr Heimatland mit: Wenn ihr wollt, könnt ihr dort (und überall sonst) sogar auf der Straße und nicht nur neben ihr fahren. | Bildquelle: eigener Screenshot.

Spaßiger war es, einfach so zu viert die Berge runterzupesen, am besten abseits der Pisten. Allerdings wird der Screen auch hier nie gesplittet, sodass ihr euch nie zu weit von einander entfernen dürft, da andernfalls die Spieler zwei bis vier zum ersten zurückgebeamt werden. Und das wiederum bremst die Multiplayer-Entdeckungsfreude nicht unerheblich. Ich habe nicht wirklich eine Idee, wie Toppluva den Mehrspielermodus im Rahmen der Möglichkeiten besser machen könnte, denn ein Splitscreen dürfte die kleinen Sprites zur Unkenntlichkeit schrumpfen lassen.

Fazit

Grand Mountain Adventures: Wonderlands ist kein Spiel, um vier oder fünf Stunden am Stück darin zu versinken, was das angeht, merkt man dem PC- und Switch-Debüt von Toppluva seinen Ursprung als Android- und iOS-Titel durchaus an. Aber an meinen allabendlichen Erkundungsfahrten, Bestzeit- und Highscorejagden hatte ich während meiner Testwoche eine Menge Spaß. Und ich werde auch danach garantiert in diese Winterwelt zurückkehren, selbst jetzt, da die kalte Jahreszeit in der realen Welt so langsam Schnee von gestern ist.

Dieses sympathische, keine nennenswerten Systemanforderungen stellende Spiel appelliert mit seinen Herausforderungen an euren Ehrgeiz und Sammeltrieb, ist aber noch stärker, wenn ihr es unabhängig und losgelöst davon spielt und einfach die Gipfel, Hänge, Wälder und vereisten Gewässer erkundet.

Es gibt viel zu entdecken in Grand Mountain Adventures, im Grunde jedoch ist der Weg das Ziel und dieser Weg fühlt sich manchmal beinahe wie echtes Skifahren oder Snowboarden an. Und das ist vermutlich das größte Kompliment, das man den Jungs von Toppluva machen kann.

Hat euch der Artikel gefallen? Weitere Spiele-Tests findet ihr hier.

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